Der Heilige Stuhl

APOSTOLISCHE REISE VON PAPST FRANZISKUS

NACH PANAMA AUS ANLASS DES 34. WELTJUGENDTAGES

(23.-28. JANUAR 2019)

WILLKOMMENS- UND ERÖFFNUNGSFEIER DES WELTJUGENDTAGS

ANSPRACHE DES HEILIGEN VATERS

 

Campo Santa Maria la Antigua – Cinta Costera (Panama)

Donnerstag, 24. Januar 2019

 

Liebe Jugendliche! Guten Abend!

Was für ein schönes Wiedersehen – in diesem Land, das uns so farbenfroh und warmherzig

empfängt! Der Weltjugendtag, der uns hier in Panama zusammenführt, ist wieder einmal ein Fest,

ein Fest der Freude und der Hoffnung für die ganze Kirche. Und für die Welt ist er ein großes

Zeugnis des Glaubens.

Ich erinnere mich, dass mich in Krakau einige Leute fragten, ob ich nach Panama kommen würde,

und ich sagte: „Ich weiß nicht, ob ich da sein werde, aber Petrus wird sicher da sein. Petrus wird

da sein.“ Heute freue ich mich, euch sagen zu können: Petrus ist bei euch, um den Glauben und

die Hoffnung zu feiern und zu erneuern. Petrus und die Kirche gehen mit euch, und wir wollen

euch sagen, dass ihr euch nicht davor fürchten braucht, mit dieser erfrischenden Energie und

dieser bleibenden Sehnsucht weiterzumachen, die uns hilft und uns anspornt, freudiger und

verfügbarer zu sein – und damit bessere „Zeugen des Evangeliums“. Weitermachen, nicht etwa

um auf einer Jugendveranstaltung mit ein paar dekorativen Elementen eine etwas „spaßigere“

oder „coolere“ Parallelkirche zu errichten, als ob euch das glücklich machen könnte. So zu

denken, würde bedeuten, euch und alles, was der Geist durch euch sagt, nicht ernst zu nehmen.

Im Gegenteil! Wir wollen gemeinsam mit euch die unablässige Neuheit und Jugendlichkeit der

Kirche entdecken und erwecken, indem wir uns immer für diese Gnade des Heiligen Geistes

öffnen, der oftmals ein neues Pfingsten bewirkt (vgl. Jugendsynode,

Abschlussdokument, 60). Und das ist nur möglich, wenn wir uns, wie vor Kurzem bei der Synode, aufschwingen,

voranzuschreiten, indem wir einander zuhören, und zuzuhören, indem wir zusammenkommen. Wir

sollten ein Zeugnis geben können, indem wir den Herrn durch den Dienst an unseren Brüdern und

Schwestern verkünden; in einem konkreten Dienst, versteht sich. Es ist keine Liebhaberei,

sondern ein konkreter Dienst. Wenn wir aufbrechen, junge Freunde – immer jung wie in der

Geschichte Amerikas –, denke ich an euch, die ihr als Erste zu diesem Weltjugendtag

aufgebrochen seid, denke ich an die Jugend der indigenen Bevölkerung. Ihr ward die Ersten in

Amerika und jetzt seid ihr die Ersten, die zu diesem Treffen aufgebrochen sind. Gebt ihnen einen

Riesenapplaus! Und ihr jungen Menschen afrikanischer Abstammung, auch ihr habt eure

Begegnung schon gehabt und seid uns voraus. Ein weiterer Applaus!

Gut. Ich weiß, dass es nicht einfach war, hierher zu kommen. Ich kenne die Mühen und Opfer, die

ihr gebracht habt, um an diesem Ereignis teilnehmen zu können. Viele Tage Arbeit und Einsatz,

die Treffen der Reflexion und des Gebets sorgen dafür, dass der Weg selbst sich lohnt. Ein

Jünger ist nicht nur der, der etwas erreicht, sondern derjenige, der mit Entschiedenheit anpackt,

der keine Angst hat, Risiken einzugehen und sich auf den Weg zu machen. Wenn einer sich auf

den Weg macht, ist er schon ein Jünger. Wenn du sitzen bleibst, hast du verloren. Anfangen

loszugehen, das ist die größte Freude des Jüngers, unterwegs sein. Ihr hattet keine Angst,

Risiken einzugehen und euch auf den Weg zu machen. Und heute können wir feiern, weil dieses

Fest schon vor langer Zeit in allen euren Gemeinschaften begonnen hat.

Wir haben soeben der Vorstellung zugehört und haben an den Fahnen gesehen, dass wir aus

verschiedenen Kulturen und Völkern kommen, verschiedene Sprachen sprechen und

unterschiedliche Kleidung tragen. Jedes unserer Völker hat eine andere Geschichte und andere

Verhältnisse erlebt. Wie viele Dinge können uns voneinander unterscheiden! Aber nichts davon

hat uns daran gehindert, zusammenzukommen, so viele Unterschiede haben es nicht verhindert,

dass wir uns treffen, dass wir beieinander sind, dass wir miteinander vergnügt sind, dass wir

miteinander feiern und gemeinsam Jesus Christus bekennen. Kein Unterschied hat uns gestoppt.

Und das ist möglich, weil wir wissen, dass es etwas gibt, das uns verbindet, dass es jemanden

gibt, der uns zu Brüdern und Schwestern macht. Ihr, liebe Freunde, habt viele Opfer gebracht, um

einander begegnen zu können und so werdet ihr wahre Meister und Gestalter der Kultur der

Begegnung. Ihr werdet damit zu Meistern und Gestaltern der Kultur der Begegnung, die nicht nur

ein „Hallo, wie geht’s?“ und ein „Hallo, bis bald!“ ist. Nein, die Kultur der Begegnung lässt uns

gemeinsam losgehen, mit unseren Unterschieden, doch mit Liebe, alle vereint auf dem gleichen

Weg. Ihr, mit euren Gesten und eurem Verhalten, mit euren Blicken, Wünschen und vor allem mit

eurer Sensibilität widerlegt und entschärft ihr all jene Reden, die darauf bedacht sind, Spaltung

hervorzurufen, jene Reden, die mit aller Kraft diejenigen ausschließen und vertreiben wollen, die

„nicht wie wir sind“. Wie man in einigen Ländern Amerikas sagt: „Sie sind keine GCU

[gente como uno, Menschen wie wir]“. Widersprecht diesen Redensarten! Alle sind sie Menschen wie wir, bei

all unseren Unterschieden. Und das liegt daran, dass ihr ein Gespür dafür habt, dass »die wahre

Liebe legitime Unterschiede nicht auslöscht, sondern sie in einer höheren Einheit miteinander in

Einklang bringt« (vgl. Benedikt XVI., Predigt, 25. Januar 2006). Ich wiederhole: „Die wahre Liebe

löscht legitime Unterschiede nicht aus, sondern bringt sie in einer höheren Einheit miteinander in

Einklang“. Wisst ihr, wer das gesagt hat? Wisst ihr das? Papst Benedikt XVI., der uns jetzt

zuschaut. Geben wir ihm einen Applaus und schicken wir ihm einen Gruß von hier! Er schaut uns

am Fernsehen zu. Ein Gruß, alle winken mit den Händen Papst Benedikt zu! Nun, wir wissen,

dass der Vater der Lüge, der Teufel, immer ein gespaltenes und streitsüchtiges Volk vorzieht. Er

ist der Meister der Spaltung und fürchtet ein Volk, das lernt zusammenzuarbeiten. Und das ist ein

Kriterium, um die Menschen zu unterscheiden: diejenigen, die Brücken bauen, und diejenigen, die

Mauern errichten. Diejenigen, die Mauern errichten, säen Angst und versuchen, die Menschen zu

spalten und einzuschüchtern. Ihr aber wollt Brückenbauer sein. Was wollt ihr sein? [Die

Jugendlichen antworten: „Brückenbauer!“]. Ihr habt gut aufgepasst, das freut mich!

Ihr zeigt uns, dass Begegnung nicht bedeutet, dass man sich verstellt, und auch nicht, dass man

dasselbe denkt oder den gleichen Lebensstil pflegt, indem man dieselben Dinge tut und

nachmacht: Das machen die Papageien. Sich begegnen heißt sich anders zu verhalten wissen, in

eine Kultur des Miteinanders eintreten. Es ist ein Aufruf und eine Einladung, mit Mut

einen gemeinsamen Traum miteinander lebendig zu halten. Wir haben viele Unterschiede und sprechen

verschiedene Sprachen. Wir tragen unterschiedliche Sachen, doch bitte richten wir uns darauf

aus, einen gemeinsamen Traum zu haben. Das können wir sicher tun! Und das löst uns nicht auf,

es bereichert uns. Ein großer Traum; ein Traum, der in der Lage ist, alle miteinzubeziehen. Es ist

der Traum, für den Jesus am Kreuz sein Leben hingegeben hat und für den der Heilige Geist sich

ergoss und das Pfingstereignis in die Herzen eines jeden Mannes und einer jeden Frau

einbrannte, in jedes Herz, in deines und deines und deines ... und in mein Herz – auch in dein

Herz hat er es eingebrannt in der Hoffnung, dass er Raum findet, um zu wachsen und sich zu

entfalten. Ein Traum, ein Traum namens Jesus, der vom Vater ausgesät wurde: Gott wie dieser,

wie der Vater und vom Vater ausgesandt im Vertrauen darauf, dass er in jedem Herzen wachse

und lebe. Ein konkreter Traum, der ein Mensch ist, der durch unsere Adern fließt, das Herz

bewegt und jedes Mal neu bewegt, wenn wir die Worte hören: »Liebt einander! Wie ich euch

geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben. Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger

seid« (Joh 13,34-35). Wie heißt unser Traum? [Die Jugendlichen antworten: „Jesus!“]. Ich

verstehe nicht ... [Sie wiederholen: „Jesus!“]. Ich kann es nicht verstehen ... [Sie antworten lauter: „Jesus!“].

Ein Heiliger von hier – hört zu – ein Heiliger dieser Erde sagte gerne: »Das Christentum ist nicht

eine Ansammlung von Wahrheiten, die zu glauben sind, und von Geboten und Verboten, die zu

beachten sind. Das Christentum ist so verstanden keineswegs attraktiv. Das Christentum ist eine

Person, die mich so sehr geliebt hat und die meine Liebe ersehnt und verlangt. Das Christentum

ist Christus« (Oscar Romero, Predigt, 6. November 1977). Sagen wir es gemeinsam? [Zusammen

mit den Jugendlichen] Das Christentum ist Christus. Noch einmal: Das Christentum ist Christus.

Ein weiteres Mal: Es ist Christus! Es besteht darin, den Traum fortzuführen, für den er sein Leben

hingegeben hat, es besteht darin, mit derselben Liebe zu lieben, mit der er uns geliebt hat. Er hat

uns nicht nur halb geliebt, er hat uns nicht nur ein bisschen geliebt. Er hat uns total geliebt und

uns mit Sanftmut und Liebe überschüttet. Er gab sein Leben.

Wir fragen uns: Was hält uns zusammen? Warum sind wir zusammen? Was bringt uns dazu,

zusammenzukommen? Wisst ihr, was uns zusammenhält? Es ist die Gewissheit, dass wir zutiefst

geliebt sind, und diese Liebe wollen und können wir nicht verschweigen. Sie bringt uns vielmehr

dazu, auf die gleiche Weise zu antworten: mit Liebe. Es ist die Liebe Christi, die uns antreibt (vgl. 2 Kor 5,14).

Schaut: Eine Liebe, die vereint, ist eine Liebe, die sich nicht aufdrängt und die nicht erdrückt, sie

grenzt nicht aus, sie bringt nicht zum Schweigen und schweigt auch nicht, sie demütigt nicht und

unterwirft nicht. Die Liebe des Herrn ist eine alltägliche Liebe, diskret und respektvoll, sie liebt die

Freiheit und sie befreit, sie ist eine Liebe, die heilt und erhebt. Die Liebe des Herrn kennt sich eher

mit dem Wiederaufstieg als mit dem Fall aus, mehr mit der Versöhnung als mit Verboten, mehr mit

dem Gewähren neuer Möglichkeiten als mit der Verdammnis, mehr mit der Zukunft als mit der

Vergangenheit. Es ist die stille Liebe einer dienend und hingebungsvoll ausgestreckten Hand. Es

ist eine Liebe, die nicht prahlt, die sich nicht aufplustert, eine demütige Liebe, die sich den

anderen schenkt, und zwar immer mit der ausgestreckten Hand. Das ist die Liebe, die uns heute

vereint.

Ich frage dich: Glaubst du an diese Liebe? [Sie antworten: Ja!]. Ich stelle eine weitere Frage:

Glaubst du, dass diese Liebe „sich lohnt“? Jesus hat diese Frage einmal einem Menschen gestellt

und dann am Schluss gesagt: „Wenn du das glaubst, geh und mache es ebenso“. Im Namen Jesu

sage ich euch: Geht und macht es ebenso. Habt keine Furcht zu lieben, fürchtet euch nicht vor

dieser konkreten Liebe, dieser Liebe voll von Zärtlichkeit, dieser Liebe, die Dienst ist, dieser Liebe,

die das Leben schenkt.

Und das ist die Frage und der Ruf, die an Maria ergingen. Der Engel fragte sie, ob sie diesen

Traum in ihrem Schoß tragen, ob sie ihm Leben schenken, ihm zu einem leibhaftigen Menschen

machen wolle. Maria hatte das gleiche Alter wie viele von euch hier, wie viele von euch Mädchen.

Sie sprach: »Siehe, ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast« (Lk 1,38).

Schließen wir alle die Augen und denken wir an Maria. Sie war nicht dumm, Sie war sich dessen

bewusst, was sie in ihrem Herzen spürte. Sie wusste, was Liebe ist und sie hat geantwortet:

»Siehe, ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast«. In diesem kurzen

Augenblick der Stille, in dem Jeus zu jedem sagt – zu dir und zu dir und zu dir ... – „Fühlst du dich

danach? Willst du?“ Denk an Maria und antworte: „Ich will dem Herrn dienen. Mir geschehe, wie

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du gesagt hat.“ Maria vermochte „Ja“ zu sagen. Sie hatte den Mut, den Traum Gottes mit Leben

zu erfüllen. Willst du den Traum Gottes mit deinen Händen und Füßen, mit deinem Blick und

deinem Herzen wirklich werden lassen? Möchtest du, dass die Liebe des Vaters dir neue

Horizonte eröffnet und dich auf Pfaden führt, die du dir nie vorgestellt und erdacht hättest, die du

dir nie erträumt oder von denen du nie erwartet hättest, dass sie dein Herz so erfreut singen und

tanzen ließen?

Haben wir den Mut, wie Maria zum Engel zu sagen: „Siehe, wir sind Knechte und Mägde des

Herrn, uns geschehe...“? Antwortet jetzt nicht, jeder antworte in seinem Herzen. Es gibt Fragen,

auf die man nur in der Stille antwortet.

Liebe Jugendliche, dieser Weltjugendtag wird nicht zu einer Quelle der Hoffnung durch ein

Abschlussdokument, durch eine Übereinkunft oder ein Programm. Nein, das wird es nicht sein.

Was mehr Hoffnung gibt bei dieser Begegnung, sind eure Gesichter und ein Gebet. Das wird

Hoffnung geben. Mit dem Gesicht, mit dem ihr nach Hause zurückkehrt, mit dem verwandelten

Herzen, mit dem ihr nach Hause kommt und mit dem Gebet, was ihr mit diesem verwandelten

Herzen gelernt habt. Das, was mehr Hoffnung bei diesem Treffen bringen wird, werden eure

Gesichter und euer Gebet sein. Und jeder wird mit dieser neuen Kraft nach Hause zurückkehren,

die immer dann entsteht, wenn wir uns mit anderen und mit dem Herrn treffen, erfüllt vom Heiligen

Geist, um jenen Traum zu erinnern und am Leben zu erhalten, der uns zu Brüdern und

Schwestern macht und den wir – das ist unsere Berufung – im Herzen der Welt nicht erstarren

lassen wollen: Egal wo wir sein werden, egal was wir tun werden, immer können wir nach oben

schauen und sagen: „Herr, lehre mich so zu lieben, wie du uns geliebt hast.“ Wollen wir das

gemeinsam wiederholen? „Herr, lehre mich so zu lieben, wie du uns geliebt hast“. [Zusammen mit

den Jugendlichen] „Herr, lehre mich so zu lieben, wie du uns geliebt hast“. Lauter, ihr seid heiser.

„Herr, lehre mich so zu lieben, wie du uns geliebt hast“.

Schön. Und da wir gut und wohlerzogen sein wollen, können wir diese erste Zusammenkunft nicht

beenden ohne zu danken. Danke allen, die diesen Weltjugendtag mit großer Begeisterung

vorbereitet haben, all dies hier. Danke, großartig! Danke, dass ihr den Mut hattet, alles

herzurichten und Gäste aufzunehmen, dass ihr „Ja“ gesagt habt zu dem Traum Gottes, seine

Söhne und Töchter vereint zu sehen. Danke an Erzbischof Ulloa und alle seine Mitarbeiter, die

dazu beigetragen haben, dass Panama heute nicht nur ein Kanal ist, der die Meere verbindet,

sondern auch ein Kanal, in dem der Traum Gottes weitere kleine Kanäle findet, um zu wachsen,

sich weiter zu verzweigen und in alle Ecken der Erde auszustrahlen.

Liebe Freunde, Freundinnen und Freunde, Jesus segne euch! Das wünsche ich euch von ganzem

Herzen. Unsere Liebe Frau von Antigua begleite euch und behüte euch, auf dass wir wie sie ohne

Angst sagen können: »Hier bin ich, so soll mir geschehen«.

Danke!

 

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